Die Flussperlmuschelaufzuchtstation Huschermühle

Im Jahre 2018 wurde die Huschermühle, eine alte Getreidemühle aus dem 17. Jahrhundert im Landkreis Hof, im Rahmen eines EU-Projektes in Zusammenarbeit mit der Agentur für Naturschutz und Landschaftspflege vom Bund Naturschutz in Bayern e.V. gekauft und zur Flussperlmuschelaufzuchtstation und „Bildungszentrum Lebensraum Wasser“ umgebaut. Dabei handelt es sich um eine Anlage mit elf Hälterungsbecken für die Wirtsfische der Flussperlmuschel, die Bachforellen.

Durch die große Anzahl der Becken ist es möglich, zehn verschiedene Flussperlmuschelpopulationen gleichzeitig in der Aufzuchtstation zu halten und Jungmuscheln getrennt nach ihrer genetischen Herkunft zu gewinnen.

Aktuell werden in der Huschermühle Jungmuscheln von sieben Flussperlmuschelpopulationen gewonnen.

In der Huschermühle werden junge Flussperlmuscheln unter kontrollierten, halbnatürlichen Bedingungen aufgezogen, um die überalterten Muschelbestände in unseren Fließgewässern solange zu unterstützen, bis sich die Lebensbedingungen für die Flussperlmuschel verbessert haben.

Jedes Jahr werden ca. 600-700 Bachforellen mit Glochidien (Muschellarven), die aus den verschiedenen Bachsystemen in der Region gewonnen wurden, in der Aufzuchtstation beimpft. Die so „infizierten“ Fische kommen in die Hälterungsbecken, wo die Muschellarven in den Kiemen der Bachforellen zu Jungmuscheln heranwachsen. Ab Anfang November kommen alle sechs Wochen ca. 50 Fische in die Räume der Huschermühle, wo das Wasser erwärmt und auf ca. 18 Grad gebracht wird. Dies simuliert Bedingungen in den Bächen wie im ausgehenden Frühjahr und veranlasst die ca. 0,3 mm großen Jungmuscheln, sich aus den Kiemen der Wirtsfische fallen zu lassen und auf den Boden der Aufzuchtstation zu sinken. Dort werden sie über feinmaschige Siebe aus dem Wasser gefiltert und die nächsten Monate in der Station mit Detritus, organischem Feinmaterial aus Feuchtwiesen und Gewässern, aufgezogen. Ende April / Anfang Mai kommen die Jungmuscheln in Lochplatten bzw. Sedimentkäfigen in ihre natürlichen Gewässer zurück, wo sie die nächsten Jahre betreut werden. Mit einer Größe von ca. 2,5 mm werden die dann im Alter von ca. 4-5 Jahren in die Freiheit entlassen, wo sie sich dann zu gut zwei Dritteln in den Bachgrund eingraben und dort die kommenden 70-80 Jahre verbringen.

 

Infektion

Zu Beginn des Zuchtzyklus im Juli/August werden Muschellarven (Glochidien) an den Kolonien in den hiesigen Gewässern gesammelt, ohne dabei die Elterntiere zu beeinträchtigen. Die Glochidien werden an der Huschermühle mit jungen Bachforellen – aus Fischzuchtanlagen und aus den natürlichen Beständen in den Bächen vor Ort – zusammengesetzt, damit sich die Muschellarven unter optimalen Bedingungen in den Kiemen der Bachforellen festsetzen können.

 

Hälterung

Nach der Infizierung werden die Bachforellen in den Aufzuchtbecken an der Huschermühle untergebracht, wo sie die nächsten Monate gehältert werden.

 

Winterzyklus

Im Oktober wird ein Teil der Bachforellen aus den Aufzuchtbecken in kleinere Aquarien im Keller der Huschermühle überführt. Das Wasser in den Aquarien wird langsam auf frühlingshafte 18°C erwärmt, wodurch die Metamorphose der Jungmuscheln beschleunigt wird. Nach Ende der Metamorphose fallen die Jungmuscheln im Dezember von Bachforellen ab und werden aus dem Wasser gefiltert. Die Jungmuscheln werden in Lochplatten überführt, in denen sie die nächsten Monate bis zum Frühsommer weiter aufgezogen werde. Von Januar bis März wird der Winterzyklus wiederholt. Durch den Winterzyklus wird der Verlust von Jungmuscheln, z.B. durch den Tod einer Bachforelle, deutlich reduziert und die Jungmuscheln können die ersten Monate unter kontrollierten Bedingungen aufwachsen.

 

Frühjahrszyklus

Im Frühjahr, wenn die Wassertemperaturen in den Bächen steigt, werden die verbliebenen Bachforellen aus den Aufzuchtbecken in kleinere Rundbecken überführt. Jetzt reifen die Jungmuscheln dem natürlichen Lebenszyklus folgend heran. Nachdem die Jungmuscheln von den Bachforellen abgefallen sind, werden sie auch aus dem Wasser gefiltert und in Lochplatten untergebracht.

 

Jungmuscheln

Im Frühsommer werden die Lochplatten mit den Jungmuscheln in ausgewählten Bächen platziert, wo sie die besten Aufwuchsbedingungen finden. Die Lochplatten werden regelmäßig gereinigt, damit keine Blätter, Äste, etc. die Löcher verstopfen und die Wasserversorgung der Jungmuscheln unterbrechen. Nach etwa 2 Jahren, wenn die Jungmuscheln 4 mm groß sind, werden sie in Boxen mit Sediment und Netzgittern an den Seiten umgesetzt. In diesen Sedimentboxen verbleiben die Muscheln nochmals 2-3 Jahre, in denen sie unter ständiger Kontrolle weiterwachsen. Wenn die Muscheln ein Alter von 4-5 Jahren haben und eine Größe von etwa 2 cm erreicht haben, werden die Jungmuscheln in ihren Ursprungsgewässern ausgewildert. Selbst nach der Auswilderung wird der Zustand der heranwachsenden Muscheln sowie der gesamten Flussperlmuschelkolonien überwacht, damit bei einer Verschlechterung der Lebensbedingungen (z.B. Gefahr der Austrocknung der Gewässer) Maßnahmen ergriffen werden können.

 

Genetische Vielfalt

Bei der Aufzucht wird darauf geachtet, dass auch die genetische Vielfalt der Flussperlmuschel erhalten wird. Der Erhalt der genetischen Vielfalt ist wichtig, weil die Muscheln zum einen an die jeweiligen Koloniestandorte und die dort herrschenden Umweltbedingungen angepasst sind. Zum anderen haben Bestände mit geringer genetischer Vielfalt ein vermindertes genetisches Potential, auf Veränderungen von Umwelteinflüssen, Krankheiten, etc. zu reagieren.